R.I.T.U.A.L

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Im November 2019 hatten wir die Möglichkeit, gefördert vom FDS Stagedirectors intensiv zu ästhetischen performativen Ritualen zu forschen. Unsere Fragen waren:

Was ist ein Ritual? Wo finden wir Rituale im Alltag? Welche Rituale kennen wir aus unserer eigenen und/oder aus anderen Kulturen? Wie ist ein Ritual aufgebaut?

Unser Ziel waren “Tryouts” sowohl in der Natur als auch im urbanen Umfeld. Deshalb haben wir eine Residenz im ländlichen Sachsen im Schützenhaus in Wehlen (Deutschland)  und in einem Atelierhaus in Berlin Pankow organisiert.

Auf dem Land

Während des Aufenthalts in Wehlen haben wir uns dem Thema von verschiedenen Seiten genähert. Die Abgeschiedenheit und Einfachheit des Ortes ermöglichte uns einen intensiven Einstieg in das Thema und wir probierten gemeinsam verschiedene Arrangements aus. Jeder von uns skizzierte eine 90-minütige Partitur, die zu Aktionen, Bewegungsformen und sinnlichen Erfahrungen einlud: Ein meditativer Spaziergang in Stille, um die Elbe zu beobachten, ein imaginäres Lagerfeuer zum Sitzen und „Einstimmen als Gruppe“ für welches wir unsere Stimmen nutzten.

Als Gemeinschaft haben wir die verschiedenen Schwellen und Phasen eines Rituals (Trennung, Liminalität und die Inkubationsphase) untersucht. Dabei standen Themen wie: Achtsames und einfühlsames Bewachen des Zentrums der Gruppe, Wiederholung als Prinzip eines Rituals und der Zustand des „Dazwischen“ im Fokud. Wir haben nach Möglichkeiten gesucht, die unserer Meinung nach die Erfahrung vertiefen. Zum Abschluss unseres Aufenthaltes luden wir einige Gäste zu einer kleinen Vorführung ein, die in der Küche des Schützenhauses stattfand. Das Showing basierte auf Improvisationen, die wir während unseres Aufenthalts in Wehlen erforscht haben.

In der Stadt

In der zweiten Woche setzten wir unsere performative und diskursive Recherche im urbanen Kontext fort und bezogen ein Atelierhaus in Berlin Pankow. Dieser Plattenbau aus DDR-Zeiten wurde in den 1980er Jahren als Diplomatenhotel gebaut, aber nie als solches genutzt. Stattdessen wurde es der Akademie der Wissenschaften der DDR übergeben. Anfang der 1990er Jahre zogen die Wissenschaftler aus und 2004 ging die Liegenschaft an den Immobilienfonds. Dieses Gebäude befindet sich noch im Umbau zu einem Atelierhaus, daher war es ein perfekter Ort für unsere Arbeit.

Wir konzentrierten uns auf die Geschichte des Gebäudes, seine Atmosphären und Klänge. Durch die Verwendung einer performativen Partitur haben wir das Gebäude individuell untersucht, um das Potenzial für ein ästhetisches performatives Ritual zu entdecken. Der Gebäudekomplex bestand aus 5 miteinander verbundenen Blöcken. Der letzte Block war komplett leer. Spuren der Vergangenheit waren noch zu sehen, die Ankunft der Künstler*innen stand unmittelbar bevor. Diese Atmosphäre wollten wir für ein öffentliches Ritual zum Thema „Verlorenes loslassen“ nutzen.

Ein Ritual mit Gästen

Wir entwickelten eine Performance, in die wir unsere Forschungsergebnisse und die Erkenntnisse aus Wehlen und Berlin Pankow einfließen ließen. Als Struktur haben wir die drei Phasen eines Rituals zugrunde gelegt: Trennung, Liminalität und die Inkubationsphase. Außerdem wollten wir beides verbinden: die Natur und die Ruhe, die wir in Wehlen vorfanden und das moderne urbane Leben, dem wir in Berlin begegneten. Wir haben ein Mandala aus verschiedenfarbigen Herbstblättern entworfen.

Um eine technologische Komponente einzuführen, haben wir die Stimme der mobilen App “Siri” eingefügt. Das Atelier wurde in einen Raum der Stille verwandelt, die Regeln des Raumes waren an der Wand zu lesen. Wir verwendeten die Gruppenbildungs- Techniken aus Wehlen wie das imaginäre Lagerfeuer und den Einsatz der Stimme, um in das Ritual einzutreten. Die Absicht war, die Teilnehmer*innen einzuladen, ihre persönliche Angelegenheit einzubringen, die sie loslassen können. Nach dieser ersten Etappe führten wir die Teilnehmer lautlos durch die endlosen Gebäude Korridore. Ihre Aufmerksamkeit galt der Atmosphäre, dem Geruch und dem Geräusch des Gebäudes. Jede Tür, durch die wir gingen, stellte eine andere Schwelle dar, unterstrichen durch den Live-Klang einer Trompete. Im letzten leeren Gebäudeteil begegnete man einem „Orakel“, einer gespenstischen Gestalt. Das Orakel markierte den Höhepunkt der liminalen Phase, indem es jedem Teilnehmer ein Symbol Objekt gab. Dieses essbare Token repräsentierte die persönliche Angelegenheit, die jeder Teilnehmer loslassen wollte. Alles war bewusst etwas rätselhaft. Jetzt änderte sich die Situation in eine spielerische Atmosphäre.

Einfache Musikinstrumente wurden ausgeteilt und alle waren eingeladen, auf dem Rückweg in den Raum der Stille zu singen, zu spielen und zu tanzen. Hier beendeten wir das Ritual, indem wir das Token aßen und das Mandala alle zusammen auflösten. Um das Ritual zu verlassen, verbrachten wir zehn Minuten der Stille, um die Erfahrung zu integrieren.

Das Feedback, das wir im anschließenden Gespräch erhalten haben, war sehr positiv und produktiv. Auch hier kamen einige Fragen auf, die wir uns im Forschungsprozess gestellt haben. Bemerkenswert war, dass drei Personen sagten, dass sie eigentlich immer Schwierigkeiten mit partizipativen Performancen haben, das Ritual aber als wohlwollende Einladung empfanden und sich trotz der hohen Beteiligung immer sicher fühlten.

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In November 2019, we had the possibility to research intensively on aesthetic performative rituals, questioning the following: What is a ritual? Where do we find rituals in everyday life? What rituals do we know from our culture and/or those from other? How is a ritual structured?
We aimed at tryouts both in nature and in and urban setting. Therefore we organized a residency in the “Schützenhaus” in Wehlen (Germany) situated in the countryside of Saxonia and in a studio house in Berlin Pankow.

In the countryside

During the stay in Wehlen, we approached the subject from various sides. The remoteness and the simplicity of the place allowed us to get into the topic in an intense way and we tried out different arrangements together. Each of us sketched a 90-minute score, which invited the others to actions, forms of movement and sensual experiences: A meditative walk in silence to observe the river Elbe, an imaginary bonfire to sit by and “tuning in as a group” by using our voices.

As a community, we examined the different thresholds and phases of a ritual (separation, liminality – and the incubation phase). We focused on themes as: Mindfully and sensitively guarding the center of the group, repetition as principle of a ritual, and the state of “in betweenness”. We were looking for sites that, in our opinion, deepened the experience. At the end of our stay we invited a few guests to a small showing, that took place in the kitchen of “Schützenhaus”. The Showing was based on improvisations we explored during our stay in Wehlen.

In the city

In the second week we continued our performative and discursive research in an urban context moving into a studio house in Pankow. This “Plattenbau” from GDR times was built as a diplomatic hotel in the 1980s but never used as such. Instead, it was handed over to the GDR Academy of Sciences. The scientists moved out in the early 1990s and in 2004 the property went to the real estate fund. This building is still in transformation to become a studio house, so it was a perfect place for our work.

We focused on the building’s history, it’s atmospheres and sounds. By using a performative score we explored it individually to discover its potential for an aesthetic performative ritual. The building complex consisted of 5 interconnected blocks. The last block was completely empty. Traces of the past could still be seen, the arrival of the artists was imminent. We wanted to use this atmosphere for a public ritual on the topic “Letting go of the lost”

A ritual with guests

We developed a performance in which we incorporated our research results and the findings from Wehlen and Berlin Pankow. As a structure, we based the three stages of a ritual: separation, liminality and the incubation phase. Furthermore we wanted to combine both: the nature and tranquility that we found in Wehlen and the modern urban life, that we faced in Berlin. We designed a mandala made of differently colored autumn leaves. To introduce a technological component we included the voice of the “Siri” mobile app.

The studio was transformed into a room of silence, the rules of the space could be read on the wall. We used the group building techniques from Wehlen like the imaginary bonfire and the use of voice to enter the ritual. The intention was to invite the participants to find their personal matter to let go of. Following this first stage, we led the participants silently through the endless building corridors. Their attention was lent to the atmosphere, the smell and the sound of the building. Every door we went through represented another threshold, emphasized by the live sound of a trumpet. In the last empty part of the building there was an encounter with an “oracle”, a ghostly figure. The oracle marked the climax of the liminal phase by giving each participant an symbol objekt. This edible token represented the personal matter each participant wanted to let go off. Everything was deliberately a bit puzzling. Now the situation changed into a more playful atmosphere. Simple music instruments were shared and everyone was invited to sing, play and dance on the way back to the room of silence. Here we ended the ritual by eating the token and dissolving the mandala all together. To linger out of the ritual we spend ten minutes of silence to incorporate the experienc

The feedback we’ve got in the subsequent conversation was very positive and productive. Some questions that we asked ourselves in the research process also came up here. It was noteworthy that three people said, that they actually always have difficulties engaging in performances, but felt the ritual as a benevolent invitation and, despite the high level of participation, always felt safe.